BÜHNE

KYRRE KVAM: Meister der Gelassenheit

Von Hillevi Hofmann | 27. April 2017

Kyrre Kvam zwischen den Sprachwelten

„Lost in Translation“ nennt sich das neue und äußerst offenherzige Soloprogramm von Kyrre Magnus Kvam. Drei Abende lang kann man den Norwegischen Ausnahmekünstler nun im Bronski & Grünberg bewundern.

Kyrre Kvam, der attraktive Norweger mit der unverkennbar malerischen Stimme, arbeitet unter anderem als Komponist am Theater in der Josefstadt und hat zudem die Filmmusik für Serienhits wie „Braunschlag“, „Höhenstrasse“ und „Altes Geld“ komponiert. Dass dieser zutiefst authentische Künstler aber mehr als nur das beherrscht, bewies das Multitalent nun mit einem berührenden Soloabend im Bronski & Grünberg. „Lost in Translation“ nennt Kyrre sehr passend sein Programm. Und möchte bewusst mit seinen eigenen Liedern, alleine auf der Bühne sein, – irgendwo zwischen Theater und Konzert.

Der Ehemann von Schauspielerin Ruth Brauer-Kvam spricht mittlerweile vier Sprachen perfekt und ist demnach mit Recht der Meinung, dass durch die sprachlichen Unterschiede, die Nuancen und vor allem die Übersetzungen so einiges an Identität verloren geht. Die tägliche Auseinandersetzung eines Mannes, der nicht im Land seiner Muttersprache lebt. Somit wohl ein gewisses thematisches Dilemma, welches er mittels fein ausgesuchten Texten und Gedichten so schön und unverblümt zum Ausdruck bringt. Mit einer sonst für das Theater ungewohnten Gelassenheit (und Konzentriertheit) gab der Mann mit der Sensibilität eines James Dean nun einige bekannte und einige neue Songs zum Besten, zeigte dem begeisterten Publikum die Reichweite seines Schaffens. Die Auswahl der Songs und an die Wand projizierten Texte ergeben im Endeffekt einen wunderbaren dramatischen Bogen. So sang er aus “Kimberly”, einem Singspiel von David Schalko, uraufgeführt am Schauspiel Köln, aus “Maria Stuart” unter der Regie von Stephanie Mohr am Stadttheater Klagenfurt, “Schritte” von Peter Turrini, (iDance Company, Theater in der Josefstadt) wie auch „Merry-go-round“ und „Me & Myself & I“.

Abgesehen von seiner grandiosen Schauspielkunst, die für schöne Lacher sorgte, rührte er mit seiner Tiefgründigkeit auch den einen und anderen Zuschauer zu Tränen. Berührend ehrlich, verletzlich und über alle Maßen authentisch ist dieser Mann. Sein perfektes Englisch hat sich der Norweger, der mit 19 Jahren auszog, um Schauspiel zu studieren, in London angeeignet. Zu Hause wird mit den Kindern Hebräisch und Deutsch gesprochen. Und Norwegisch -die Muttersprache- möchte er seinen Kindern verständlicherweise ebenso weitergeben.

Stellenweise ist die Szenerie düster und leicht depressiv angehaucht, wird doch viel über Tod und Vergänglichkeit sinniert. Vielmehr mag es aber seine ureigene Reflektion über das Leben, die Liebe und die Vergänglichkeit selbst sein. Selten habe ich einen Künstler so aufrichtig in seinem Umgang mit dem Publikum gesehen. Die Zuhörerschaft war mit Recht bedingungslos begeistert und spendete dem sichtlich gerührten Musiker langanhaltenden Applaus.

Danach genehmigte sich so mancher noch ein, zwei aufheiternde Spritzweinchen in der mittlerweile schon legendären Flamingobar des Bronski. Dort wurde angeregt gegrübelt, sinniert und bejubelt. Und weil es bei Kyrre Kvam halt sehr menschelt bedankte er sich auch noch bei jedem einzelnen Gast für´s Kommen. Mann muss ihn einfach lieben.

Fazit: Wer einen tiefsinnigen, wertvollen Abend erleben möchte, sollte sich noch schnellstens Karten für „Lost in Translation“ besorgen.

“Tage, wenn sie scheinbar uns entgleiten,
gleiten leise doch in uns hinein.
Aber wir verwandeln alle Zeiten,
denn wir sehnen uns zu sein.”

Rainer Maria Rilke