Wenn unser Glaube nicht mehr siegen kann,
dann sind wir jenseits von Eden
Das Schicksal zweier Tiroler Bauernfamilien ist Grundlage für Karl Schönherrs dramatisches Volksstück, welches am Valentinstag im Theater in der Josefstadt unter der Regie von Stephanie Mohr Premiere feierte.
„Glaube und Heimat“ lautet der Titel des gottesfürchtigen Stückes aus dem Jahre 1901, basierend auf der wahren Geschichte der Vertreibung von 427 Zillertaler Protestanten von 1837.
Erzkatholisch, wie ein entgleister Katholik sagen würde. Doch es wäre nicht Erfolgsregisseurin Stephanie Mohr , wenn sie nicht auch aus diesem Stück das Beste rausgeholt hätte. Wenngleich das Stück modern und kühl ins Heute inszeniert vielleicht noch etwas besser gefruchtet hätte. Ihr Ensemble besticht durch ein wunderbar emotionales Zusammenspiel und ausnehmend starke Charaktere. Das Drumherum: gewöhnungsbedürftig – zumindest für die Josefstadt.
Glauben oder nicht glauben – das ist hier die Frage! Obwohl es ihn Haus und Hof kosten wird, bekennt sich Bauer Christoph Rott (überzeugend: Raphael von Bargen) zum protestantischen Glauben. Vater und Großvater Trott sollen mitsamt den anderen „Ungläubigen“ ob ihres lutherischen Glaubens aus ihrer Heimat verwiesen werden, der aufgeweckte Bauernsohn „Spatz“ (erfrischend: Swintha Gersthofer) jedoch mit Mutter (wow: Silvia Meisterle) und Großmutter zurückbleiben. Gilt es doch, zumindest ihn im „rechten“ Glauben zu erziehen. Da stürzt sich der abenteuerhungrige Spatz allerdings lieber vom Dach – und in den sicheren Tod.
Trotz des Schmerzes um sein totes Kind reicht der geschundene Vater Rott (Gänsehautmoment bei Raphael von Bargen) dem apokalyptischen Reiter des Kaisers (stark: Claudius von Stolzmann) versöhnend die Hand. Anders als in Schönherrs Original streichelt der Reiter zuletzt über sein Schwert anstatt es zu brechen.
Drama, Baby, Drama. Wäre da nicht der erfrischend spleenige „Hofimmobiliensammler“ Englbauer (Nikolaus Barton), der der tristen Szenerie zumindest eine Prise von Humor einhaucht und Nachkommen produziert wie am Fließband.
1910 uraufgeführt und ein Jahr später mit dem Grillparzerpreis ausgezeichnet will dieses Volksschauspiel irgendwie so gar nicht recht in die immer jünger werdende Josefstadt passen, auch wenn Hausherr Herbert Föttinger sich ganz bewusst den Themen der Flüchtlingsproblematik verschrieben hat. Das Thema ist aktuell, keine Frage. Das Stück vielleicht doch eine Spur zu antiquiert. Sind es die kargen Bauernstuben (Bühnenbild: Miriam Busch), die uns ans Eckerlstehen bei Großmutter am Land erinnern der warum schnürt es einem die Kehle beim Anblick dieser tristen „Heimat“ zu?
Da sind wie schon beim Thema: Glaube und Heimat, das ist doch inneres und äußeres Daheimsein. In sich, bei sich. Mit Menschen, die einem lieb und teuer sind. So ziemlich jeder Mensch wünscht sich das. Glaube (an was auch immer) und Heimat (wo und mit wem auch immer) miteinander in Verbindung bringen zu können, ist sicher eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Und seinen Glauben (aus)leben zu dürfen, wo man sich ganzheitlich daheim fühlt gehört mit Sicherheit zu den elementarsten Wünschen eines religiösen Menschen.
Doch nicht überall ist das auch umsetzbar. Selbst wenn wir das Jahr 2019 schreiben. Noch immer (wie traurig ist das eigentlich?) müssen Gläubige aufgrund ihres Glaubens fliehen. Sehen Sie die Ironie? Wir fliegen zum Mond und bald auch zum Mars, aber die Heimat wird vielen noch immer aufgrund ihres Glaubens entrissen.
Das, was einst für die evangelischen Christen nach enormen Hindernissen schließlich zur Gründung einer evangelischen Pfarrgemeinde führte, war für einen Teil der Katholiken beinahe der Untergang.
Spannend, wo doch im Jahr 1781 von Joseph II. ein Toleranzpatent erlassen wurde, welches doch eigentlich ein privates Religionsexercitium im Kaiserreich erlaubte. Überall dort, wo mehr als 500 Personen oder mehr als 100 Familien lebten, durften auch eigene Bethäuser gebaut werden. In Tirol ging man damit jedoch ganz eigen um.
Neben den vielen starken Männerrollen besticht Silvia Meisterle in der Rolle von Rotts Weib vor allem durch ihren innerlichen Kampf zwischen Liebe und religiösem Gehorsam. Denn trotz ihrer tiefen katholischen Überzeugung schlägt sie sich schließlich auf die Seite ihres Mannes. Und Kyrre Kvam? Der macht was er am besten kann: Als geist-reicher Clown zeigt er sein großes musikalisches Talent.
In weiteren Rollen brillieren Oliver Huether als Landarzt Bader, Michael Schönborn als gewiefter Schuster, Lukas Spisser als humoriger Gerichtsschreiber und ganz besonders Roman Schmelzer (so gut war er nie!) und Alexandra Krismer als Ehepaar Sandperger.
Das Premierenpublikum dankte es dem Ensemble mit Jubel und Applaus.
TRAILER
(Produktion: Jan Frankl)
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BESETZUNG
REGIE
Stephanie Mohr
BÜHNENBILD
Miriam Busch
KOSTÜME
Alfred Mayerhofer
MUSIK
Kyrre Kvam
DRAMATURGIE
Matthias Asboth
LICHT
Manfred Grohs
Christoph Rott, ein Bauer: Raphael von Bargen
Spatz, sein Sohn: Switha Gersthofer
Rottin, sein Weib: Silvia Meisterle
Alt-Rott, sein Vater: Michael König
Peter Rott, sein Bruder: Gerhard Kasal
Englbauer von der Au: Nikolaus Barton
Der Reiter des Kaisers: Claudius von Stolzmann
Gerichtsschreiber: Lukas Spisser
Bader: Oliver Huether
Sandperger zu Leithen: Roman Schmelzer
Sandpergerin: Alexandra Krismer
Schuster: Michael Schönborn
Mutter der Rottin: Elfriede Schüsseleder
Unteregger: Igor Karbus
Kesselflick-Wolf : Ljubisa Lupo Grujcic
Straßentrapperl: Susanna Wiegand
Ein Soldat: Jörg Reifmesser
Trommler: Kyrre Kvam
Theater in der Josefstadt
Josefstädterstraße 26
1080 Wien
WEBSITE: www.josefstadt.org